Kunst und Künstler in den Bernsteinbädern

Eine Nische, die es lohnt, zu entdecken. Ahrenshoop hatte und hat sie, Hiddensee und das verträumte Städtchen Schwaan in Mecklenburg auch – Künstler, die zusammen in einer Künstlerkolonie wohnten, sich gegenseitig inspirierten und gemeinsam Werke erschufen und es teilweise noch immer tun. Doch kaum jemand weiß, dass es in …

... den Usedomer Bernsteinbädern eine ganz ähnliche Kunsttradition gab und gibt, dass auch Usedom ein Ort ist, an dem bis heute Kunstvolles entsteht und von Kunstliebhabern genossen werden kann.

Denn auch die Insel Usedom wirkt seit den 1920er Jahren für Künstler aus Städten wie Berlin, Kiel, Görlitz oder Greifwald wie ein Magnet. Die außergewöhnlichen Lichtstimmungen und die reizvolle Landschaft an der Grenze zwischen Land und Meer vor allem in der Inselmitte sind es, die die Künstler anzieht, sich hier niederzulassen.

Der bekannteste unter ihnen war sicherlich Otto Niemeyer-Holstein, der sich 1933 mit einem ausrangierten Berliner S-Bahn-Waggon an der schmalsten Stelle der Insel in unmittelbarer Nachbarschaft zum Bernsteinbad Koserow, in dem von ihm gegründeten Lüttenort ein einzigartiges Refugium aus Wohnhaus, Atelier und Skulpturengarten errichtete. Bis zu seinem Tod 1984 schuf er auf Usedom nicht nur etwa 5000 Werke, er hielt enge Kontakte zu vielen Künstlern und politischen Zeitgenossen. Wolf Biermann ging bei ihm genauso ein und aus wie Karl-Eduard von Schnitzler. Streng nach der Devise von Niemeyer-Holstein musste jeder Besucher seine politische Gesinnung am Eingangstor lassen. Das Einzige, das für ihn zählte, war die Kunst.

Otto Niemeyer-Holsteins Atelier

Heute ist Otto Niemeyer-Holsteins Atelier samt Garten für jeden Kunst- und Gartenliebhaber zugänglich. In der Galerie, die seit 2001 zu dem Ensemble gehört, finden wechselnde Ausstellungen rund um die Usedomer Künstler, Vorträge, Lesungen und Konzerte statt.

Zeitgleich mit Niemeyer-Holstein waren auch die mit ihm befreundeten Maler Otto Manigk und Herbert Wegehaupt auf die Ostseeinsel aufmerksam geworden. Gemeinsam mit dem Künstlerpaar Susanne Kandt-Horn und Manfred Kandt sowie der Malerin Karin Schacht zog es den kleinen Künstlerkreis in das Bernsteinbad Ückeritz. Hier wohnten sie alle in einer Straße, der Waldstraße. Zu dem illustren Grüppchen gesellte sich später auch die Malerin Vera Kopetz dazu. Freundschaftliche Besuche und gemeinsames Arbeiten standen an der Tagesordnung. Auch die Kinder Matthias Wegehaupt und Oskar Manigk gehörten später zu der Usedomer Künstlergemeinschaft dazu.

Offene Galerie am Ückeritzer Kirchberg

Um den Ückeritzer Künstlern eine ständige Präsenz zu geben, wurde auf dem Ückeritzer Kirchberg eine Offene Galerie errichtet. Hier können die acht bedeutendsten Ückeritzer Künstler mit je einem auf große Leinwand gezogenen Bild rund um die Uhr bestaunt werden – der wundervolle Achterwasserblick ist inklusive. Außerdem findet im Ückeritzer Haus des Gastes jedes Jahr im Frühherbst eine Ausstellung mit Werken der Waldstraßen-Künstler und ihrer Freunde statt. Dieses Jahr ist sie Oskar Manigk gewidmet.

Auch in den beiden Bernsteinbädern Zempin und Loddin waren Künstler tätig, die oftmals direkt mit dem Künstlerkreis um Niemeyer-Holstein, Manigk und Wegehaupt befreundet waren oder von ihnen inspiriert wurden. So zog es ihretwegen Joachim John genauso auf die Insel wie Wulff Sailer. Beide bauten sich eine halbverfallene Fischräucherei in Zempin zu ihrem Wohn- und Schaffensort aus. In Kurt-Heinz Siegers Atelier ein wenig außerhalb von Zempin können Kunstschaffende bis heute eine produktive Auszeit nehmen. Die Lebenspartnerin von Otto Manigk, die Malerin Rosa Kühn, verschlug es zunächst in den Inselhof nach Zempin.

Der nach Zempin gezogene Genremaler Hugo Scheele hatten ein Faible für die Usedomer Natur und die Menschen bei der Arbeit. Beides wurde zum Inhalt seines Schaffens. Auch er hielt lose Kontakt zu der bekannten Künstlergruppe. Stärker verbunden mit dem Bernsteinbad Loddin war der Maler und Grafiker Walter Womacka. Er liebte die Urwüchsigkeit des kleinen Fischerdorfes. Noch immer hängen Werke von ihm im Strandhotel Seerose in Kölpinsee.

Ein echtes Zempiner Inselkind ist der Maler Wolfgang Max. Bis heute hat er immer wieder Ausstellungen auf der gesamten Insel. Ebenfalls Beispiele aktuell recht emsiger und vor allem moderner Künstler sind die Ückeritzer Künstlerin Ilona Butz, die ihre Werke in ihrem eigenen Atelier (Buchenweg 1 in Ückeritz) ausstellt und der Koserower Maler Norbert Krabbe, der vor allem durch den Koserower Kunstsalon ein weitreichendes Sprachrohr erhält.


Koserower Kunstsalon

Wer Kunst liebt und sie am liebsten sogar das eigene Heim verschönern lässt, für den ist der Kunstsalon in der Koserower Karlstraße 3 ein echter Tipp. Denn der Inhaber, der Galerist Ralf-Georg Waschkau, ist ein Experte in Sachen regionaler Kunst und regionaler Künstler. Pro Jahr veranstaltet er mehrere Auktionen – seit Corona allesamt online. Zwischen den Versteigerungen sind die von ihm in akribischer Kleinstarbeit zusammen gesammelten Werke in seiner Koserower Galerie nicht nur zu bestaunen, sondern auch zu erwerben.

Hier hängt wirklich alles, was sich in Ostdeutschland, hauptsächlich aber auf der Insel und auf dem inselnahen Festland, einmal einen Namen als Künstler gemacht hat. Die ältesten Bildwerke stammen aus dem frühen 19. Jahrhundert. Hierzu zählt zum Beispiel eine Druckgrafik von Christian Joachim Friedrich einem Bruder von Caspar David Friedrich. Aber Waschkau sträubt sich nicht, auch modernen Malern wie Norbert Krabbe in seiner Galerie eine Plattform zu geben.

„Manchmal findet man beim Sammeln sogar eine Nadel im Heuhaufen“, freut er sich über seine neueste Entdeckung, eine Ansicht des Wolgaster Hafens von Willy Stöwer, einem bekannten, deutschen Marinemaler der Kaiserzeit. Ohnehin ist Ralf-Georg Waschkau überzeugt davon, dass Usedom qualitativ genauso tolle Künstler zu bieten hat wie andere Kunstzentren in Deutschland.

Und auch die weniger bekannteren Maler und Bildhauer bekommen in den Kurverwaltungen der vier Bernsteinbäder, in den Häusern des Gastes und in den Heimatvereinen, Möglichkeiten auszustellen. Wer also mit offenen Augen und einem interessierten Kunstgemüt durch die vier Bäder der Inselmitte streift, hat jede Menge Gelegenheiten auf großartige Kunstwerke zu treffen.

Text: Sandra Grüning – Textwerkstatt Küstenkind

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