Ein Jahr rund um den Bernstein

Ein Jahr lang waren wir für die Bernsteinbäder Ückeritz, Loddin, Koserow und Zempin unterwegs, um alles über den Bernstein zu erfahren.

Wir – das  sind Henry Böhm und Sandra Grüning. Henry Böhm ist Fotograf und Inselurgestein. Er fotografiert alles, was ihm vor die Linse kommt. Dabei sind ihm die kleinen Details die liebsten. Wenn er nicht gerade in der Welt umherreist, ist er mit mir, Sandra Grüning, für tolle Inselgeschichten unterwegs. Mir geht es wie Henry Böhm mit dem Fotografieren. Wenn ich nicht schreiben kann, bin ich nicht glücklich. Mit meiner Textwerkstatt Küstenkind beglücke ich jeden mit Texten, der sie für Websiten oder Magazine, aber auch für Bücher gebrauchen kann.

Wir beide waren also für die Bernsteinbäder ein Jahr lang im Auftrag des Bernsteins unterwegs. Und herausgefunden haben wir eine Menge über das Gold der Ostsee. Wir sind tief eingetaucht in die Legenden und Mythen, die es über den Sonnenstein zu berichten gibt, haben erfahren, dass er schon in der Antike verehrt wurde. Ja, sogar Tutanchamun bekam für seine Totenreise einen Skarabäus aus Bernstein mit ins Grab. Tränen der Götter haben die Griechen und Römer den Bernstein genannt. Und in Litauen soll es bei der wunderschönen Meeresgöttin Jūratė gar einen ganzen Unterwasserpalast aus Bernstein gegeben haben. Na ja, so weit hergeholt, ist das nicht. Schließlich soll auch die sagenumwobene Stadt Vineta nicht nur aus Gold, sondern auch aus Bernstein erschaffen worden sein. Ob das stimmt, kann man heute nicht mehr sagen. Es sei denn man ist ein Sonntagskind und kann die angeblich vor dem Koserower Streckelsberg versunkene Stadt an einem Ostersonntag auferstehen sehen.

Eine andere Legende erzählt die Geschichte der Bernsteinhexe Maria Schweidler aus Koserow, die im Dreißigjährigen Krieg beinahe auf einem Scheiterhaufen verbrannt worden wäre, weil sie einen geheimen Bernsteinschatz gefunden hatte. Aber die Liebe überwindet bekanntlich alle Hindernisse.

Und der Bernstein überwindet offenbar auch so manche Krankheit. Denn wie wir herausgefunden haben, gilt Bernstein schon seit Jahrtausenden als Heilstein gegen so manches Leiden wie Rheuma, Gicht, Magenerkrankungen, Leber- und Gallenbeschwerden, Blasen- und Nierenschwäche und sogar beim Zahnen des Kindes soll er helfen. Ein Funfact, der uns köstlich amüsierte: Bei den Russen hilft Bernsteinsäure angeblich sogar gegen den berüchtigten „Kater“.

Hilfreich und wohltuend war der Bernstein bei einer Ganzkörpermassage im Bernstein Medical Spa in der Hanse Kogge in Koserow. Hier wurde erwärmtes Bernsteindestillat, das mit Mandelöl vermischt war, auf die Haut aufgetragen und sanft einmassiert. Hat man sich erst an den ungewohnten Duft von Harz und Terpentin gewöhnt, ist die Massage eine wahrhaft entspannende Art, den Bernstein zu genießen.

Wie man echten Bernstein von anderen Fundstücken wie Seeglas oder Phosphor unterscheiden kann, haben wir ebenfalls getestet. Vom Schwimmen im Wasserbad bis zum Anzünden, Elektrisieren und Durchleuchten – wir haben einiges ausprobiert, die Echtheit eines Bernsteins auf Herz und Nieren zu prüfen. Nicht alle Tests waren empfehlenswert. Denn das geliebte Fundstück anzukokeln, zum Schmelzen zu bringen oder sonst wie zu zerstören, macht wenig Sinn. Ihn an die Zähne zu klopfen oder ihn mit einer Schwarzlichtlampe zu durchleuchten, um ihn Neongrün schimmern zu sehen, dagegen schon.

Doch wo und wie findet man denn nun Bernstein auf Usedom? Für die Beantwortung dieser Frage haben wir uns mit zwei leidenschaftlichen Bernsteinsammlern getroffen: Thomas N. und Katja A. Die beiden haben durch das viele Suchen und Finden von Bernstein schon den Bernsteinblick und haben uns so manchen Tipp für die eigene Bernsteinjagd mit auf den Weg gegeben. Dafür muss man nämlich gar nicht so verrückt sein wie die Zwei und zu mitternächtlicher Zeit während eines Sturms in Wathose und mit Stirnlampe am Kopf und Schwarzlichtlampe in der Hand an den Strand gehen. Nach einem Sturm – am besten im Herbst oder im Frühjahr – zum Sonnenaufgang an der richtigen Stelle zu sein, reicht auch schon. Bestens geeignet zum Finden ist der Strand zwischen Stubbenfelde und der Steilküste in Ückeritz. Denn hier treibt die Strömung immer wieder das mit Bernsteinen bestückte Treibgut aus Algen und Tang an Land. „Und hat man erst einmal einen gefunden, hat man den Bernsteinblick und sich selbst das Bernsteinfieber eingefangen“, war Thomas Neumanns Fazit. Sein größter Bernsteinfund wog ganze 266 Gramm.

Hat man tatsächlich einmal ein recht ansehnliches Exemplar gefunden, gibt es in den Bernsteinbädern Matthias Hengstler. Er stellt aus Bernstein nicht nur wundervollen Schmuck her, er bietet über das Jahr verteilt in den Bernsteinbädern auch Schleifkurse für jeden an, der oder die sich gern einmal an der Bearbeitung von Bernstein ausprobieren will. In seinen Bernsteinschleifkursen zeigt er, wie mittels ein paar einfacher Handgriffe aus einem unscheinbaren und matten Findling ein echtes Schmuckstück werden kann. Schleifpapiere, Wasser, ein Baumwolltuch und Zahnpasta zum Polieren – mehr braucht es dazu gar nicht. Seine Kurse sind immer gut besucht, denn Matthias Hengstler ist ein uriger Typ, bei dem man viel über den Bernstein, über Einschlüsse und Inklusen lernen kann und bei dem es Spaß macht, sich selbst an die Verarbeitung des Steines zu wagen.

Zu guter Letzt haben wir uns dem wohl köstlichsten Thema gewidmet: Wie schmeckt Bernstein eigentlich? Auf der Suche nach einer Antwort haben wir die Bernsteinbäder und sogar die ganze Insel Usedom nach bernsteinigen Genüssen durchforstet. Wir haben Bernsteintorte im Zinnowitzer Garten-Café Waldesruh geschlemmt, Bernsteinzucker in Karls Erlebnisdorf in Koserow entdeckt und sind dem Bernsteinzauber im kleinen Haus- und Hofladen Anna & Paul in Loddin auf die Schliche gekommen.

Für uns hat sich diese Art der Bernsteinsuche auf jeden Fall gelohnt. Unglaublich viel haben wir in diesem Jahr über das Gold des Meeres und die Verbindung der Bernsteinbäder zu ihrem Wahrzeichen erfahren. Hier ist der Bernstein tatsächlich nicht nur am Strand zu Hause.

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